von Michaela Engelmeier
Wir leben in unsicheren Zeiten. International sowieso. Aber auch in Deutschland: Kranken- und Pflegekassen tief im Minus, hohe Lebenshaltungskosten, steigende Arbeitslosigkeit, ein vergleichsweise großer Niedriglohnsektor, unbezahlbarer Wohnraum, explodierende Zuzahlungen in der Pflege. Viele Menschen blicken mit Sorge in die Zukunft. Wahltagsbefragungen haben gezeigt, dass Sicherheitsfragen für die Wahlentscheidung ausschlaggebend waren. Innere Sicherheit gleichauf mit sozialer Sicherheit.
Die Menschen brauchen soziale Sicherheit. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass der Lohn - und im Alter die Rente - zum Leben reicht, dass sie eine bezahlbare Wohnung finden, dass ihre Kinder die bestmögliche Ausbildung bekommen, dass sie in ein gutes Krankenhaus kommen und dass sie im Bedarfsfall einen Pflegeheimplatz finden und bezahlen können. Das garantiert im Optimalfall unser Sozialstaat. Doch seine sozialen Sicherheitsgarantien haben in den letzten Jahren Risse bekommen.
Auch die demografische Entwicklung setzt unsere bewährten Sozialversicherungssysteme, die schon viele Krisen überstanden haben, unter Druck. Union und SPD haben hier große Aufgaben zu lösen.
Und natürlich muss dabei auch über Geld geredet werden. Natürlich wird die Stärkung der sozialen Sicherheit Geld kosten. Aber es ist Unsinn, so zu tun, als gäbe es dazu eine Alternative. Wir können nicht entscheiden, „ob“ wir uns zum Beispiel gute Renten noch leisten können. Die Rente ersetzt im Alter den Lohn und davon müssen die Menschen dann ihr Leben finanzieren. Schon heute sind Millionen Renten zu niedrig. Senkt man das Rentenniveau weiter ab oder sichert es nur mit Rechentricks auf dem Papier, wird der Staat noch mehr Menschen im Alter mit Sozialhilfe helfen müssen. Auch das kostet. Vor allem in Ostdeutschland, wo noch mehr Haushalte im Alter ausschließlich von der Rente leben.
Wir müssen die soziale Sicherheit der Menschen wieder verbessern. Und außerdem müssen wir der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken. Millionen Menschen, die bei der Bundestagswahl nicht für die Parteien der demokratischen Mitte gestimmt haben, haben ernstzunehmende Sorgen und Anliegen. Wer die soziale Sicherheit der Menschen stärkt, schwächt radikale und populistische Kräfte.
Die Frage ist also nicht, ob wir es uns leisten können. Wir müssen! Die Frage ist, wie wir gute Renten, bezahlbare Pflegeplätze, Sozialwohnungen oder erreichbare Krankenhäuser finanzieren können. Union und SPD gehen die Frage nach dem Wie der Finanzierung oft von unterschiedlichen Seiten an. Dabei ist es sicher richtig, dass Einnahmen und Ausgaben betrachtet werden müssen und Gelder so effizient wie möglich einzusetzen sind. Falsch ist es aber, den Eindruck zu erwecken, durch Kürzung von Sozialleistungen ließen sich Finanzierungslöcher dauerhaft stopfen. Denn Einsparungen auf der einen Seite führen zu Ausgaben auf der anderen Seite - zum Beispiel bei der Grundsicherung und der Sozialhilfe. Vor allem aber kosten uns Kürzungen bei den Leistungen der sozialen Sicherheit Zusammenhalt und Zuversicht und gefährden so unsere demokratische Mitte.
Wir müssen deshalb die Einnahmeseite stärken und brauchen hier einen klugen Mix von Maßnahmen, den die Menschen als gerecht empfinden und mittragen. Wir müssen die gesamtgesellschaftlichen Leistungen über Steuern finanzieren. Dann müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die wirklich Reichen mehr Steuern zahlen. Auch Steuerflucht und Steuervermeidung müssen eingedämmt werden. Außerdem müssen wir mehr Menschen an der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme beteiligen. Dogmen zum Beispiel nach einer nicht zu überschreitenden Gesamthöhe der Sozialversicherungsbeiträge – die zu Sozialkürzungen führen würden – hätten jedenfalls gesellschaftliche Kollateralschäden zur Folge.
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Autorin: Michaela Engelmeier ist Vorstandsvorsitzende des Sozialverband Deutschland.
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