von Cornelia Lüddemann
In politisch unruhigen Zeiten und sich verschärfenden Krisen (USA, Ukraine, Klima) sind Verlässlichkeit und demokratische Teilhabe keine Selbstverständlichkeit – aber genau das, was Menschen brauchen und erwarten. Leider hat schon die Kanzlerwahl im zweiten Anlauf Verlässlichkeit vermissen lassen. Diese Scharte wird für die Merz Regierung nur schwer auszuwetzen sein. Die neue Bundesregierung muss jetzt mehr denn je für eine Politik einstehen, die den Menschen im Fokus hält, und für eine Demokratie, die Raum für Mitgestaltung schafft. Ebenso muss sie dem Rechtsextremismus entschlossen entgegentreten. Dazu gehört auch die Einleitung eines Verbotsverfahrens der gesichert rechtsextremistischen AfD.
Verlässlichkeit bedeutet Festhalten an langfristigen Zielen und diese nicht zu opfern für parteipolitische Profilierungen. Gerade Gesetze wie das Gebäudeenergiegesetz – oft verkürzt als „Heizungsgesetz“ debattiert – stehen sinnbildlich für den notwendigen sozial-ökologischen Umbau. Preiswerte und verfügbare Energie wollen alle Menschen. Aufgabe der politisch Verantwortlichen ist es, den Weg dahin transparent, ehrlich und konsequent zu gehen. Ein Zurückrudern oder Aufweichen der in der letzten Legislaturperiode geschaffenen Regelungen wäre nicht nur klimapolitisch fatal, sondern ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass politische Entschlossenheit beliebig ist. Auch Länder und Kommunen habe sich bereits auf den Weg gemacht. Kommunale Wärmeplanungen sind in den Startlöchern oder sogar schon im vollen Gange. Der Wirtschaftszweig Erneuerbare Energien ist bereits jetzt ein wachsender. Er braucht stabile Rahmenbedingungen. Hier darf der Bund nicht reingrätschen.
Sehr konkret zeigt sich verlässliche Politik bei den Flächenzielen für den Ausbau der Windkraft. Sie sind ein Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der Energiewende. In Sachsen-Anhalt stehen mittlerweile alle demokratischen Fraktionen hinter dem Ziel von zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftnutzung. Aktuell wird zum Beispiel der Landesentwicklungsplan in seiner Überarbeitung voll auf dieses Ziel ausgerichtet. Viele Bundesländer sind mit der Ausweisung der Vorranggebiete für Windkraft bereits weit vorangeschritten, auch hier darf es keine Knüppel zwischen die Windräder durch den Bund geben.
Regelrecht zum Symbol für verlässliche Politik ist das Deutschlandticket avanciert. Knapp 14 Millionen Nutzende und auf einigen Strecken in Sachsen-Anhalt um mehr als 100% gestiegene Fahrgastzahlen beweisen seinen Erfolg. Wenn der neue Bundeskanzler Friedrich Merz diese Errungenschaft für die Mobilität von Millionen von Menschen immer wieder in Frage stellt oder wie im Koalitionsvertrag seine Zukunft offen lässt, untergräbt er das Vertrauen in verlässliche Politik. Die Bundesländer wie die Menschen in unserem Land erwarten hier eine klare dauerhafte Zusage des Bundes.
Verlässlichkeit heißt auch seriöse Finanzpolitik zu betreiben. Aktuell haben leider auch die Länder die Wahlgeschenke der neuen Bundesregierung zu finanzieren. Allein Sachsen-Anhalt gehen schätzungsweise 52 Millionen Euro an Einnahmen nur durch die geplante Steuersenkung für die Gastronomie verloren. Grundsätzlich wird Vertrauen in die Demokratie nicht durch Geschenke wie die Erhöhung der Pendlerpauschale gestärkt, sondern durch umfassende Beteiligungsmöglichkeiten. Viele Menschen, gerade in Ostdeutschland, fühlen sich politisch nicht gehört. Deshalb ist die Rolle des Ostbeauftragten der Bundesregierung so wichtig – und darf nicht zur bloßen Symbolfigur degradiert werden, wie die Abschiebung ins Finanzressort vermuten lässt.
Um Vertrauen zu schaffen, ist es dringend notwendig die beschlossenen Sondervermögen unbürokratisch umzusetzen. Die Menschen müssen sehen und erleben, dass Entscheidungstragende verstehen und reagieren, wenn vor ihren Augen Brücken einstürzen, dauerhaft unbenutzbar sind und die Straße immer mehr Löcher hat. Dann gewinnen sie wieder Zutrauen in die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie.
Autorin: Cornelia Lüddemann ist Fraktionsvorsitzende des Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Sachsen-Anhalt.
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