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Koalitionsvertrag bietet Chancen für nachhaltige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft

Von Christine Chemnitz und Harald Grethe

Klimaschutz, Biodiversität und Wettbewerbsfähigkeit lassen sich in der Land- und Forstwirtschaft miteinander vereinbaren. Doch es braucht die richtigen Rahmenbedingungen. Wie ist der Entwurf des Koalitionsvertrags vor diesem Hintergrund einzuordnen?  

Die kommenden vier Jahre bieten die Chance, zentrale Weichen für eine nachhaltige, produktive und wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft zu stellen. Der Entwurf des Koalitionsvertrages adressiert dafür wichtige Aspekte: Öffentliche Mittel zur Honorierung von Tierwohl-, Klima- und Biodiversitätsleistungen sollen erhöht werden. Dies betrifft den Erhalt und die Aufstockung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) sowie den Umbau der Nutztierhaltung und die Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK). Es soll in die Zukunft der Obst- und Gemüseproduktion investiert werden und in die Entwicklung alternativer Proteine. In anderen Handlungsfeldern wie der Dünge-, Pflanzenschutzmittel- und Bioenergiepolitik bleibt der Entwurf hinter den aktuellen Herausforderungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zurück. Das Handlungsfeld Ernährungspolitik wird kaum berücksichtigt.

Die neue Bundesregierung will sich in Brüssel dafür einsetzen, die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) als eigenständigen Politikbereich zu erhalten und die Einkommensanreize für Klima-, Umwelt- und Tierwohlleistungen deutlich zu steigern. Das ist ein richtiger Ansatz, wird aber angesichts des knappen EU-Budgets eine Herausforderung. Voraussetzung hierfür wäre der schrittweise Abbau der heutigen Basisprämie, was im Konsenspapier der Zukunftskommission Landwirtschaft als notwendig bezeichnet, im Koalitionsvertrag jedoch nicht erwähnt wird.

Der Erhalt und die Aufstockung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) um einmalig 1,5 Mrd. Euro ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Damit kann die Wiedervernässung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Mooren gefördert werden, deren Emissionen heute knapp sieben Prozent der gesamten Deutschen Treibhausgasemissionen ausmachen. Durch das ANK können Wiedervernässungsprämien und neue Wertschöpfungsketten gefördert werden, die Vermarktungschancen für Produkte von nassen Standorten ermöglichen. Kritisch ist, dass die erforderliche Planungssicherheit für Betriebe auf Moorstandorten nicht adressiert wird. So werden kein langfristiges Ziel für die Wiedervernässung und keine Zeitpläne benannt. Schließlich kann das ANK einen Beitrag zum Umbau zu klimaresilienteren Wäldern leisten sowie Agroforstsysteme zur Speicherung von Kohlenstoff, Biodiversität und die Bereitstellung von Biomasse für die Bioökonomie in den Agrarlandschaften fördern. Beide Bereiche nennt der Koalitionsvertrag kurz, ohne konkrete Maßnahmen zu beschreiben.

Sehr konkret und im Einklang mit der sogenannten Borchert-Kommission sind die Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls: Neben der Förderung des Umbaus zu mehr Tierwohl mit 1,5 Mrd. Euro jährlich soll die verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung ausgebaut und vereinfacht werden. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen stammt aus der Tierhaltung. Durch den geplanten Umbau können diese Emissionen verringert werden, indem perspektivisch weniger Tiere auf einem höheren Tierwohlniveau gehalten werden. Klimarelevant ist eine solche Veränderung aber nur dann, wenn zugleich weniger tierische Produkte konsumiert werden.

Wissenschaftlich besteht breiter Konsens, dass sogenannte faire Ernährungsumgebungen – das Umfeld, in dem Ernährungsentscheidungen getroffen werden – einen nachhaltigeren Konsum fördern können. Allerdings adressiert der Entwurf diesen Bereich kaum. Um das große Potenzial einer nachhaltigeren Ernährung zu heben, wären zum Beispiel die Einführung eines Bundesprogramms Schulverpflegung und eine Umsatzsteuerreform möglich.

Um Ernährungssicherheit mit Klima- und Biodiversitätsschutz wirkungsvoll zu verbinden, müssen landwirtschaftliche Flächen effizient genutzt und der Konsum von Nahrungsmitteln und anderer Biomasse nachhaltiger werden als heute. Diesen Grundsätzen wird der Entwurf im Bereich Biokraftstoffe nicht gerecht. Er sieht vor, mehr Biokraftstoffe als bislang zur Erreichung der Minderungsziele im Verkehr zuzulassen, obgleich mit der Elektrifizierung des Verkehrs eine deutlich effizientere Minderungsoption vorliegt.

Problematisch ist der Vorschlag, die Klimapolitik dahingehend zu ändern, dass Minderungsziele durch die Anrechnung der Entnahme von Treibhausgasen – sogenannte negative Emissionen – in Partnerländern erreicht werden können. Solche negativen Emissionen werden nahezu ausschließlich durch Landnutzungsänderungen generiert, vor allem durch die Anpflanzung von Bäumen. Auch wenn landbasierte negative Emissionen wichtig für den Klimaschutz sind, wäre es derzeit riskant, damit fehlende Ambition bei der THG-Minderung auszugleichen. Landbasierte negative Emissionen sind reversibel, etwa durch Änderungen in der Bewirtschaftung oder durch Schadereignisse wie Waldbrände. Deshalb sollte in den nächsten Jahren der Fokus auf der Minderung der THG-Emissionen liegen. Die Förderung negativer Emissionen in der Landnutzung sollte diesen Prozess ergänzen, aber keinesfalls ersetzen.

Im Fazit bietet der Entwurf eine solide Basis für weitere Verhandlungen. Sollten Budgetkürzungen erfolgen, sollte dies nicht zu Lasten zukunftsweisender Maßnahmen wie dem ANK oder dem Umbau der Nutztierhaltung gehen. Subventionen für Mehrgefahrenversicherungen oder die Dieselsteuer-Erstattung hingegen leisten wenig für die langfristige Stärkung des Sektors.

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Autor: Dr. Christine Chemnitz und Prof. Harald Grethe sind Direktoren bei Agora Agrar.

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