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Föderalismus neu denken: Klarheit, Eigenverantwortung, Zukunftsfähigkeit

von Henning Höne

Deutschland steht vor großen Aufgaben: digitale Infrastruktur, Bildung, Wettbewerbsfähigkeit. Doch unser Staat ist strukturell überfordert. Das liegt nicht an mangelndem Engagement, sondern an einem System, das Klarheit scheut und Verantwortung verschleiert. Es ist Zeit für eine umfassende Föderalismusreform.

Schluss mit Mischzuständigkeiten
Mischzuständigkeiten sind der schleichende Tod des Föderalismus – und Hauptursache für das Misstrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Gesperrte Brücken, marode Schulen, schleppende Digitalisierung, langsame Genehmigungen – überall ist der Staat sichtbar überfordert, weil selten klar ist, wer tatsächlich verantwortlich ist. Beispiel Digitalpakt: Milliarden stehen bereit, aber die Umsetzung stockt, weil sich Bund und Länder gegenseitig ausbremsen. Jedes Mal, wenn der Bund etwas in eigentlich klarer Länder- oder Kommunalzuständigkeit fördert, ist das ein Schuldeingeständnis: Einnahmen und Steuergeld folgen im deutschen Staat nicht den Aufgaben. Wir brauchen eine klare Aufgabentrennung – und eine ebenso klare Finanzierung, nicht Einzelfälle, befristete Steueranteile oder Sonderprogramme.

Mehr finanzielle Eigenverantwortung der Länder
Verantwortung funktioniert nur, wenn man die Mittel hat, sie wahrzunehmen. Heute hängen die Länder zu stark von Transfers ab. Das hebelt Steuerungsanreize aus. Deshalb braucht es ein Hebesatzrecht für die Länder auf Gemeinschaftssteuern wie die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wer mehr ausgeben will, muss das seinen Bürgern erklären. Wer solide wirtschaftet, kann entlasten. Das fördert haushaltspolitische Verantwortung und Wettbewerb um gute Rahmenbedingungen.

Mehr Vielfalt zulassen, wo Wettbewerb hilft
Föderalismus lebt von Unterschieden. Unsere Regionen sind verschieden – also sollten sie auch unterschiedliche Wege gehen dürfen. Wettbewerb fördert Innovation. Warum sollten nicht einzelne Länder neue Schulmodelle testen oder eigene Digitalisierungspfade einschlagen? NRW könnte etwa digitale Lernplattformen schneller einführen, Thüringen einen MINT-Schwerpunkt setzen. Nur eine Berliner Bubble empfindet es als Zumutung, wenn Dinge in Garmisch anders geregelt sind als in Flensburg. Die meisten Menschen wohnen aber nicht an zwei Orten gleichzeitig – sie wünschen sich Lösungen, die vor Ort passen.

Mehr Zentralisierung dort, wo Effizienz entscheidend ist
Nicht alles muss dezentral geregelt sein. Digitale Infrastruktur, Energie- und Verkehrsnetze, Sicherheitsarchitektur – hier ist es sinnvoll, Kompetenzen zu bündeln. Tausende Software-Anwendungen in deutschen Behörden – das ist kein Pluralismus, das ist Wahnsinn. Wir brauchen automatische Schnittstellen, gemeinsame Standards und zentralen Datenaustausch. Der Bund muss in diesen Bereichen steuerungsfähiger werden. Beim Glasfaserausbau oder der Einführung eines einheitlichen Online-Zugangs ist klar: Koordination aus einer Hand spart Zeit, Geld und Nerven.

Konnexitätsprinzip und Bundesrat neu denken
Wenn der Bund neue Aufgaben vergibt, muss er auch deren Finanzierung und Umsetzung verantworten. Ein klares Konnexitätsprinzip ist überfällig – wer bestellt, bezahlt. Der Bund lässt sich zu oft für große Versprechen feiern, überlässt aber Ländern und Kommunen die Umsetzung. Umgekehrt sollten wir die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat reduzieren, um die Handlungsfähigkeit des Bundes dort zu stärken, wo sie gebraucht wird.

Fazit: Mehr Vertrauen in die Länder wagen
Diese Reform ist kein Angriff auf Berlin, sondern ein Angebot: für mehr Effizienz, mehr Nähe, mehr Gestaltungskraft. Die Länder wollen Verantwortung übernehmen, wenn man sie lässt. Sie sind bereit, dort abzugeben, wo der Bund bessere Ergebnisse liefern kann. Die Zeit ist reif für einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Bund und Ländern. Machen wir aus dem Föderalismus wieder eine Stärke unseres Landes – durch klare Aufgaben, verlässliche Strukturen und den Mut, neu zu denken.

Autor: Henning Höne ist Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW und Landesvorsitzender der Freien Demokraten NRW.

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