von Susanne Schaper
Die Bundesregierung hat eine historische Aufgabe: Sie muss reale Probleme lösen und so neues Vertrauen stiften, dass der Staat und die Demokratie funktionieren. Meine Hoffnung hält sich jedoch arg in Grenzen, zumal die Koalitionspartner beim öffentlichen Streit der Ampel-Regierung nacheifern. Umso wichtiger werden Taten. Der Koalitionsvertrag lässt einen Aufbruch allerdings vermissen.
Eine Tat, für die sich Die Linke schon lange einsetzt, ist das Ende der „Schuldenbremse“ – besser mit „Investitionsbremse“ beschrieben. Wer nach Dresden reist, kann das vom Elbufer aus besichtigen: Quasi unter dem Bürofenster des Ministerpräsidenten liegt die Ruine der Carolabrücke. Zum Glück kam bei ihrem Einsturz niemand ums Leben. Sie ist Sinnbild dafür, was passiert, wenn die Bundesrepublik ihre Infrastruktur verschleißt.
Es spricht nichts dagegen, dass der Staat Kredite aufnimmt, um seine Substanz zu erhalten und seine Aufgaben effizienter erfüllen zu können. Unternehmen machen das genauso. Die Linke fordert nicht, dass die öffentliche Hand für laufende Ausgaben Schulden aufnimmt. Doch für moderne Kitas, Schulen, Gleise, Brücken, Wohnungen, Energienetze, Feuerwehren, für Klimaschutz, Digitalisierung und anderes mehr ist viel Geld nötig.
Immerhin hat der alte Bundestag die „Schuldenbremse“ gelockert. De facto abgeschafft ist sie aber nur für Aufrüstungszwecke. Für die übrigen Bereiche öffnet das 500-Milliarden-Sondervermögen immerhin etwas Spielraum. Sachsen darf mit Jahrestranchen von 415 Millionen Euro rechnen, über deren Verwendung wir hart verhandeln werden. Schließlich braucht die Minderheitsregierung aus CDU und SPD Stimmen der Opposition, auch für einen Nachtragshaushalt. Zunächst muss aber der reguläre Doppelhaushalt beschlossen werden, um dessen Beschluss momentan gerungen wird.
Dafür muss die Sachsen-CDU ihren Widerstand gegen Landes-Kredite aufgeben. Im Bund sowie in Thüringen trägt die CDU Investitionskredite mit. Es ist absurd, dass dieselben Leute, die Geld aus dem Bundes-Sondervermögen gerne annehmen, uns weiterhin erzählen, Kredite seien Teufelszeug. Das Grundgesetz gewährt den Ländern jetzt einen Kreditrahmen von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Legt man die sächsische Wirtschaftsleistung zugrunde, die 2024 bei 161,9 Milliarden Euro lag, wären das 566 Millionen Euro. In der Variante, dass alle Länder bis zu 0,35 Prozent des Bundes-BIP an Krediten aufnehmen und Sachsen etwa nach dem Königsteiner Schlüssel davon 5,1 Prozent erhielte, wären es fast 770 Millionen Euro. Die Bundesregierung muss schnell Rechtssicherheit herstellen!
Ich bin skeptisch, ob die Reform der „Schuldenbremse“, die Union und SPD ankündigen, kommen wird. Doch auch unabhängig von Schulden muss der Staat seine Einnahmen dauerhaft sichern und erhöhen. Es wäre falsch, dafür die ärmeren und mittleren Bevölkerungsschichten noch stärker zu belasten. Vielmehr müssen Menschen, die große Einkommen, Millionenvermögen oder riesige Erbschaften genießen, etwas mehr zur Solidargemeinschaft beitragen. Für Konzerne wie Privatleute wollen wir Steuerschlupflöcher schließen. Das macht niemanden arm, aber alle reicher.
Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur ein moralisches Gebot. Sie ist die Grundlage einer stabilen, sicheren, friedlichen Gesellschaft. Das sollte allen am Herzen liegen. Wir lesen im Koalitionsvertrag aber kein Wort zur Vermögensteuer, zur Erbschaftsteuer oder zum Spitzensteuersatz. Die Regierung hat auch keinen Plan, unsere Sozialversicherungen dauerhaft zu stabilisieren. Beste Gesundheitsversorgung, menschenwürdige Pflege, Absicherung bei Erwerbslosigkeit und gute Renten sind nur möglich, wenn künftig alle solidarisch einzahlen, ohne „Beitragsbemessungsgrenze“ für Großverdiener.
Wir müssen den Zusammenhalt und das Vertrauen in die Demokratie vergrößern, die Infrastruktur sichern und die Wirtschaft ankurbeln. Ich rechne nicht damit, dass sich die Bundesregierung diesen großen Zielen annähert. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn ich nicht Recht behielte.
Autor: Susanne Schaper ist Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag.
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