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Das muss die neue Bundesregierung bei der Energiewende in den Blick nehmen

von Stefan Dohler

Eine sichere, bezahlbare und klimaneutrale Energieversorgung ist die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlands und für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Für diesen Weg braucht es eine ambitionierte Machbarkeit. Das bedeutet, mit dem klaren Ziel der Klimaneutralität vor Augen, die erforderlichen Maßnahmen kosten-, systemeffizient und vor allem praxistauglich umzusetzen. Wichtig ist dabei insbesondere ein verlässlicher Rechtsrahmen, der Ambitionen, Investitions- und Planungssicherheit vereint, aber auch Luft für Innovation und unternehmerisches Handeln lässt.

Gleichzeitig muss sich der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien stärker am Ertrag und den Kosten für die Systemintegration orientieren. Aus Sicht der Energiewirtschaft ist es gut, dass der enorme Investitionsbedarf in Deutschland mit dem neuen Sondervermögen angegangen wird. Die Politik ist zudem gefragt, ein attraktives Umfeld für private Investitionen über den Kapitalmarkt zu schaffen.

Besonders dringend ist der Zubau steuerbarer Kraftwerke. Die Festlegung der Rahmenbedingungen für den Kapazitätsmechanismus muss auf die 100-Tage-Agenda der neuen Bundesregierung.  Deutschland braucht in den nächsten Jahren 20 bis 25 Gigawatt an zusätzlicher, gesicherter, steuerbarer Leistung, die einspringt, wenn Wind- und Solarenergie nicht ausreichen. Diese kann perspektivisch auch klimaneutral erzeugt werden. Die Koalition sollte daher zügig die Abstimmungen zu einem Kraftwerkssicherheitsgesetz aufnehmen. 

Notwendig ist es zudem, ein Nachfolgemodell für das EEG sowie die Weiterentwicklung der Wasserstoffstrategie zu planen. Um den Wasserstoffhochlauf voranzubringen, schlagen wir gemeinsam mit zwölf weiteren Verbänden verschiedener Branchen vor, die Initiierung einer Wasserstoff-Allianz auf Ebene der EU-Mitgliedsstaaten unter Führung der Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu verankern. Es ist entscheidend, zügig und im europäischen Schulterschluss langfristige Planungssicherheit und klare Zielvorgaben zu erreichen, um notwendige Investitionen anzureizen. Was wir hingegen nicht brauchen, sind kleinteilige politische Detailregelungen.

Auch muss der für die Transformation erforderliche Netzausbau und die -modernisierung wirtschaftlich sowie kosten- und systemeffizient möglich sein, damit der Strom zuverlässig zu den Verbrauchern gelangt. Dazu ist es erforderlich, den Finanzierungsrahmen zu verbessern, die regulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals muss im aktuellen Zinsumfeld attraktiv und wettbewerbsfähig sein, was eine deutliche Erhöhung bedeutet.

Das geplante Sondervermögen sollte die Investitionen der Netztreiber in den Ausbau und die Modernisierung der Netze verstärken, ohne die bestehenden Finanzierungswege auszuhebeln. Gleichzeitig muss privates Kapital gezielt mit staatlichen Geldern und Garantien gehebelt werden. Unser Vorschlag eines Energiewendefonds kann hierzu – speziell für den Wärmesektor – einen wichtigen Beitrag leisten. Gerade dem Thema Wärme muss im Koalitionsvertrag Beachtung geschenkt werden. Denn hier wird ein großer Teil der genutzten Energie noch fossil bereitgestellt. Ab 2027 umfasst der Emissionshandel auch den Wärmemarkt. Fossile Lösungen werden dann deutlich teurer, während sich der Umstieg auf Wärmepumpen zunehmend lohnt.

Die Koalitionsparteien sollten auch die Stromkunden entlasten. Wir unterstützen die dauerhafte Senkung der Stromsteuer und Zuschüsse zu den Übertragungsnetzentgelten. Für eine moderne und innovationsfreundliche Gesetzgebung ist zudem ein ernstgemeinter Bürokratieabbau von großer Bedeutung. Dafür muss die Politik den Grundstein legen. Viele vom Staat oder EU vorgegebene Regeln treiben die Kosten. So sind etwa Offshore-Ausschreibungen hierzulande auf Leistung ausgerichtet anstatt auf maximale Energieausbeute zu minimalen Kosten. Unnötig strikte EU-Vorgaben verteuern etwa die Produktion von grünem Wasserstoff um 50 Prozent. Diese Hürden gilt es dringend abbauen, um die Energiewende effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten.

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Autor: Stefan Dohler, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW.

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