Von Alexander Rabe
In dieser Zeit des Epochenbruchs gewinnt das Thema Digitale Souveränität immer mehr an Bedeutung. Doch was bedeutet der Begriff eigentlich? Der aktuelle eco Branchenpuls – eine quartalsweise durchgeführte Umfrage von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. unter IT-Entscheider:Innen in Deutschland zeigt, dass auch in Fachkreisen die Meinungen darüber auseinandergehen: Demnach beschreiben über 60 % der Befragten Digitale Souveränität als Freiheit bei Anbieter-Auswahl und Software-Mix. Rund neun Prozent verstehen darunter eher Autarkie und Abschottung. Rund 18 Prozent der Befragten möchten sich für keine dieser beiden Positionen entscheiden und rund 13 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“.
Europa hat in der globalen Digitalwirtschaft noch Potenzial, das es zu heben gilt. Während amerikanische Plattformen 86 Prozent des Marktes dominieren und Asien mit 11 Prozent folgt, verharrt Europas Anteil bei mageren 2 Prozent (FAZ).
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Investitionen in digitale Infrastrukturen wie Rechenzentren und im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Europa investiert deutlich weniger als die USA und China in digitale Technologien. Laut einer Studie von McKinsey liegt Europa bei den Investitionen pro Kopf weit zurück – in Deutschland ist der Rückstand besonders spürbar. Deutschland liegt im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft der Europäischen Kommission derzeit nur auf Platz 14 von 27 EU-Mitgliedstaaten. Für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt bedeutet diese Position dringenden Handlungsbedarf. Der digitale Rückstand hat Auswirkungen auf sämtliche Branchen und Institutionen – von der Industrie über den Handel bis hin zur Verwaltung. Zudem gefährdet er die Innovationskraft und damit auch die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas.
Nach jahrzehntelanger politischer Lähmung im Bereich der digitalen Transformation von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft wird der Begriff der digitalen Souveränität aktuell wieder zunehmend in politische Debatten eingebracht. Doch was bedeutet dieser Begriff eigentlich? Wie kann er Europa helfen, seine wirtschaftliche Relevanz in der Digitalwirtschaft zu steigern? Die Idee einer digitalen Souveränität mit europäischer Prägung soll eine unabhängige Entscheidungsfreiheit gewährleisten, demokratische Werte und Rechtsnormen wahren und fairen Wettbewerb stärken. Nicht die Herkunft eines digitalen Produkts oder Dienstes bestimmt dessen Vertrauenswürdigkeit oder Sicherheit. Entscheidend ist vielmehr die technisch nachweisbare IT-Sicherheit.
Digitale Souveränität bedeutet nicht Protektionismus, sondern Wahlfreiheit: Unternehmen und Institutionen sollten die Möglichkeit haben, aus verschiedenen Angeboten die für sie beste digitale Lösung auszuwählen. Um dies entscheiden zu können, bedarf es einerseits marktlicher Transparenz und andererseits digitaler Kompetenz, um diese bewerten und anwenden zu können. Umfassende digitale Kompetenzen sind dafür Grundvoraussetzung.
Darüber hinaus muss Europa als Standort für digitale Innovationen attraktiver werden. Dazu gehören der Abbau bürokratischer Hürden, wettbewerbsfähige Energiepreise und Standortbedingungen sowie der gezielte Ausbau digitaler Infrastrukturen wie Rechenzentren, die das Rückgrat der digitalen Transformation bilden. Deutschland ist für KI und Quantencomputing derzeit nicht attraktiv genug. Die USA und China haben hier die Führung übernommen, während Europa und insbesondere Deutschland noch mit zu langwierigen Genehmigungsverfahren und teils unzureichender digitaler Infrastruktur zu kämpfen hat.
Ein gemeinsamer digitaler Binnenmarkt in Europa könnte die Stärken des Standorts gezielter bündeln und effektiver nutzbar machen. Mit rund 450 Millionen Einwohner:innen bietet Europa enorme Skaleneffekte – diese müssen durch klare und vor allem einheitliche Regeln und deren konsequente Anwendung auch genutzt werden. Ein harmonisierter Markt würde es Unternehmen ermöglichen, effizienter zu arbeiten, Innovationen schneller voranzutreiben und so digitale Dienste europaweit einfacher anzubieten.
Ist diese Grundlage geschaffen, muss Europa die Chancen der datengetriebenen Wirtschaft konsequent nutzen. Der Schlüssel liegt nicht allein im Schutz von Daten, sondern vor allem in deren gezielter und rechtssicherer Nutzung. Daten sind die entscheidende Grundlage für Innovation. Europa hat mit der Datenschutz-Grundverordnung bereits wichtige Weichen gestellt, doch es fehlen einheitliche Rahmenbedingungen, die Unternehmen und Start-ups ermöglichen, auf große Datenmengen zuzugreifen und diese sicher und datenschutzkonform zu verwenden.
Digitale Souveränität erfordert einen grundlegenden Wandel im europäischen Denken und Handeln und in der Art und Weise, wie wir als Europäer:innen den digitalen Wandel aktiv mitgestalten wollen. Klar ist: Wir haben keine Zeit, noch länger in der Analysephase zu verharren, sondern brauchen den Mut, jetzt konsequente europäische Entscheidungen für einen starken Digitalstandort zu treffen. Unser Weg in die digitale Zukunft wird gelingen, wenn wir uns auf die europäischen Stärken konzentrieren, digitale Kompetenz in Politik, Verwaltung und der breiten Bevölkerung vermitteln, sowie Freiräume für Innovationen „Made in Europe“ schaffen. Die Attraktivität des Standorts ist gegeben, die Substanz auch. Und nicht zuletzt kann die Entscheidung Deutschlands, mit einem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen die Infrastruktur zu stärken, einen neuen Impuls für Technologieschübe in den Bereichen digitaler Infrastrukturen setzen. Nutzen wir diese Chance. Jetzt.
Autor: Alexander Rabe ist Geschäftsführer von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
Digitale Souveränität entscheidet über Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erläutern in diesem Table.Forum, warum und wie strategisch investiert, föderale Strukturen modernisiert und digitale Kompetenzen gestärkt werden müssen – technisch, politisch und gesellschaftlich.
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