von Michael Salomo
Die nächste Bundesregierung muss für die deutschen Kommunen pragmatische Lösungen anbieten. Kommunen leisten elementare Demokratie-Arbeit durch soziale Teilhabe, Flüchtlingsarbeit, die Umsetzung der Energiewende und vieles mehr. Die Kommunen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten – aber sie brauchen die richtigen finanziellen Rahmenbedingungen.
Kommunen sind das Fundament unserer Demokratie. Hier entscheidet sich, ob Menschen den Staat als handlungsfähig erleben oder nicht. Doch vielerorts stoßen wir an unsere Grenzen. Die neue Bundesregierung muss sich diesen Realitäten stellen und endlich Antworten liefern. Die Kommunen erwarten, dass Sacharbeit wieder in den Vordergrund rückt. Denn auf lokaler Ebene lassen sich Probleme nicht mit schönen Worten oder ideologischen Grabenkämpfen bewältigen – hier zählt einzig das Ergebnis.
Kommunale Finanzen: Die Basis für Handlungsfähigkeit schaffen
Das Konnexitätsprinzip fordert, dass diejenigen, die Aufgaben festlegen, auch für deren Finanzierung sorgen. In der Praxis wird dieses Prinzip häufig umgangen oder nur unzureichend umgesetzt. Deutlich wird dies beim Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, aber auch bei der Digitalisierung in Schulen oder der Integration geflüchteter Menschen. Während Bund und Länder die Standards und Pflichten festlegen, müssen die Kommunen die laufenden Kosten tragen – oft mit unzureichender finanzieller Unterstützung.
Ein einmaliger Baukostenzuschuss reicht nicht aus, um die langfristigen Betriebskosten zu decken. Viele Städte und Gemeinden sind finanziell am Limit, müssen in anderen Bereichen einsparen und haben keinen finanziellen Spielraum mehr für notwendige Investitionen. Wir brauchen eine strikte und dauerhafte Anwendung des Prinzips „Wer bestellt, bezahlt“ und verbesserte rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten für Kommunen. Kommunen müssen handlungsfähig bleiben. Sonst ist es der Staat als Ganzes nicht.
Sozialsysteme sichern, soziale Teilhabe ermöglichen
Kommunen tragen eine zentrale Rolle in der sozialen Versorgung – von der Unterstützung bedürftiger Familien über Pflegeeinrichtungen bis hin zur Integration. Doch die steigenden Sozialausgaben bringen viele Städte und Gemeinden an ihre finanziellen Grenzen. Der Bund muss einen höheren Anteil an den Kosten für soziale Leistungen übernehmen, statt die Kommunen immer weiter zu belasten. Sozialausgaben dürfen nicht zulasten kommunaler Investitionen gehen – sonst fehlen Mittel für Bildung, Infrastruktur und Daseinsvorsorge.
Migration: Unsere Strukturen an die Daueraufgabe anpassen
Kommunen leisten die Hauptarbeit in der Flüchtlingspolitik. Sie stemmen die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten, doch ohne genügend Wohnraum, Kita- und Schulplätze sowie Fachkräfte für die Betreuung stößt das System an seine Grenzen. Bund und Länder müssen ihre Politik mit Blick auf die Umsetzung in den Kommunen koordinieren und finanzieren, statt Kommunen mit der Aufgabe allein zu lassen. Die Bewältigung von Fluchtbewegungen bleibt eine Daueraufgabe. Zugleich ist Deutschland auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Die Bearbeitung von Visa-Anträgen für Fachkräfte muss daher effizienter und schneller erfolgen. Hierzu ist eine „institutionelle Trennung“ zwischen dem Bereich Fachkräfteeinwanderung und der allgemeinen Ausländerbehörde notwendig.
Demografischer Wandel: Gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern
Die Alterung der Gesellschaft, steigende Pflegekosten und die Abwanderung junger Menschen in die Ballungszentren treffen viele Kommunen hart. Gleichzeitig geraten Kommunen finanziell unter Druck, da traditionelle Einnahmequellen wie die Gewerbesteuer konjunkturabhängig und damit volatil sind und die Einkommensteueranteile durch eine sinkende Anzahl Erwerbstätiger zurückgehen. Bund und Länder müssen daher neue Lösungen finden, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu erhalten. Statt kleinteiliger Förderprogramme mit komplizierten Antragsverfahren braucht es eine langfristige, verlässliche Unterstützung, die den Kommunen ermöglicht, den demografischen Wandel vor Ort zu gestalten.
Gesundheitsversorgung: Nah, bezahlbar, zukunftsfähig
Der Mangel an Hausärzt*innen, Pflegekräften und Krankenhäusern in ländlichen Regionen ist längst spürbar. Die geplante Krankenhausreform muss sicherstellen, dass die Versorgung vor Ort nicht weiter ausdünnt. Statt reiner Kostensenkung braucht es Lösungen, die eine gute Erreichbarkeit und Qualität der medizinischen Versorgung garantieren. Kommunen brauchen Unterstützung beim Aufbau von Gesundheitszentren, telemedizinischen Angeboten und bei der Gewinnung von Fachkräften – gerade dort, wo Krankenhäuser wegfallen. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Gesundheitsversorgung nicht zur Frage des Wohnorts wird.
Energiewende vor Ort umsetzen
Kommunen spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Sie setzen Klimaschutzmaßnahmen um, treiben den Ausbau erneuerbarer Energien voran und sanieren Gebäude. Doch wir brauchen nicht nur ambitionierte Ziele, sondern auch realistische Umsetzungsstrategien. Ohne ausreichende finanzielle Mittel bleibt vieles Stückwerk. Die Bundesregierung muss Kommunen finanziell so ausstatten, dass Klimaschutz von Anfang an möglich ist – ohne bürokratische Hürden und komplizierte Antragsverfahren. Statt kleinteiliger Förderprogramme mit unsicheren Bewilligungen braucht es eine verlässliche Finanzierung, damit Kommunen eigenständig und langfristig planen können, denn Klimaschutz gelingt nur, wenn er lokal verankert ist.
Infrastruktur und Digitalisierung: Zukunft gestalten statt Stillstand verwalten
Unsere Infrastruktur veraltet, während die Anforderungen wachsen. Marode Brücken, überlastete Straßen und rückständige Digitalisierung sind Bremsklötze für wirtschaftliche Entwicklung und Lebensqualität: Statt dass jedes Land oder jede Kommune eigene Insellösungen entwickelt, braucht es eine einheitliche, vom Bund bereitgestellte digitale Infrastruktur. Nur so lassen sich Verwaltungsprozesse effizienter gestalten, digitale Bürgerservices verbessern und eine leistungsfähige Netzinfrastruktur sicherstellen. Gleichzeitig brauchen wir massive Investitionen in unsere Verkehrswege, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Diese Aufgaben können Kommunen nicht allein stemmen – hier muss der Bund seiner Verantwortung gerecht werden.
Jetzt ist die Zeit für Entscheidungen – nicht für politische Spielchen
Die neue Bundesregierung muss den Mut haben, pragmatische Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen – sei es beim Bürokratieabbau, der Digitalisierung, der Gesundheitsversorgung oder der Energiewende. Das gelingt nicht durch Symbolpolitik oder taktische Manöver, sondern durch mutige Entscheidungen, pragmatische Lösungen und echten Gestaltungswillen, die den Kommunen endlich ermöglichen, handlungsfähig zu sein. Die Kommunen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten; sie wissen, wie sie ihre Aufgaben zu erfüllen haben und was vor Ort gebraucht wird. Jetzt ist die Bundesregierung gefragt, die richtigen Weichen zu stellen, klare Konzepte vorzulegen und Verantwortung für eine Politik zu übernehmen, die vor Ort wirkt.
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Autor: Michael Salomo ist Bundesvorsitzender beim Netzwerk Junge Bürgermeister*innen und Oberbürgermeister der ostwürttembergischen Großen Kreisstadt Heidenheim an der Brenz (SPD).
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