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Der Föderalismus braucht neue Steuerung im Finanzausgleich

von Jana Marleen Walter

Der deutsche Finanzausgleich muss reformiert werden, um vor allem Länder und Kommunen besser finanziell auszustatten. Wir müssen von einer reinen Umverteilungslogik zu einer gezielten Investitionslenkung wechseln. Nur so kommt unser Geld dort an, wo es den größten Nutzen stiftet und langfristige, nachhaltige Entwicklung ermöglicht.

Jean Monnet bezeichnete Steuern als „Blutkreislauf des Staates“ – eine lebensnotwendige Ressource, die öffentliche Aufgaben finanzieren und wirtschaftliche Stabilität sichern soll. Wenn dieser Kreislauf aber nicht wirkungsorientiert funktioniert und Finanzströme nicht ankommen, wo sie benötigt werden, verliert das System an Steuerungs- und Gestaltungskraft – quasi eine finanzielle Anämie.

Der deutsche Finanzausgleich, der über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) geregelt wird, steht genau vor dieser Herausforderung. Seine Allokationsprinzipien sind ausgleichsorientiert, um bestehende finanzielle Disparitäten zwischen den Ländern zu verringern, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen und langfristig zu sichern. Investitionsanreize oder gezielte steuerliche Lenkungsmechanismen spielen bislang eine untergeordnete Rolle.

Aktuell funktioniert das FAG anhand dreier Mechanismen: Zunächst durch eine Primärverteilung der Steuereinnahmen, die als Grundfinanzierung der föderalen Ebenen regelt, wie Steuermittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt werden. Zweitens existiert der horizontale Länderfinanzausgleich, bei dem finanzstarke Länder einen Teil ihrer Einnahmen an finanzschwächere Länder abgeben. Als dritter Mechanismus fungieren vertikale Bundesergänzungszuweisungen, mit denen der Bund gezielt finanzschwache Länder unterstützt, um strukturelle Nachteile auszugleichen oder außergewöhnliche Belastungen abzufedern.

Diese Mechanismen werden punktuell durch Sondervermögen, Finanzhilfen und Bundesprogramme ergänzt, denen es allerdings ebenfalls häufig an langfristig verankerten, wirkungsorientierten Strukturen zur strategischen Investitionsförderung mangelt. Dies liegt vor allem daran, dass viele dieser Instrumente befristet und projektbezogen sind, wodurch eine kontinuierliche Finanzierung und strukturelle Planungssicherheit fehlen. Zudem unterliegen Bundesprogramme oft politischen Prioritätenwechseln, sodass sie nicht immer kohärent auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen ausgerichtet sind.

Sondervermögen wiederum werden – wie gerade geschehen – regelmäßig außerhalb regulärer Haushaltsstrukturen geführt, was ihre Integration in ein nachhaltiges Steuerungsmodell erschwert. Dadurch entsteht ein fragmentiertes System kurzfristiger Finanzierungslösungen, das langfristige Investitionen in zentrale Zukunftsfelder wie Digitalisierung, Infrastruktur und Klimaschutz nicht effektiv absichern kann.

Zweckgerichtete Steuerentlastungen für Länder und Kommunen erscheinen daher als ein vielversprechender Ansatz, um finanzielle Spielräume für Investitionen in zentrale Zukunftsfelder zu schaffen, die gleichzeitig die unterschiedlichen Bedarfe der Länder respektieren. Die Integration steuerlicher Steuerungsmechanismen könnte die bisherige Logik des Finanzausgleichs um eine sinnvolle Komponente erweitern, die beispielsweise für das KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz (§1 Abs. 5 FAG) oder das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ (§ 1 Abs. 6 FAG) zwar hätte eröffnet werden können, bislang aber nicht konsequent praktiziert wurde.

Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit hingegen eher auf direkte Finanzzuweisungen gestützt, da diese kurzfristig umsetzbar sind und eine unmittelbare finanzielle Unterstützung in eigener Verantwortlichkeit ermöglichen. Steuerliche Steuerungsmechanismen hingegen erfordern eine stärkere Verlagerung finanzieller Verantwortung auf Länder und Kommunen. Zudem fehlte es dem Bund bislang an belastbaren Modellen, die als Reformvorlage dienen könnten.

Die Grundidee besteht darin, steuerliche Erleichterungen für Länder und Kommunen zu schaffen, die zweckgebunden für Investitionen in definierte Zukunftsbereiche genutzt werden, anstatt diese durch zeitlich begrenzte Programme mit erheblichen bürokratischen Berichtspflichten zu knebeln. Steuerentlastungen würden sektorenspezifisch an definierte Indikatoren gebunden werden, um in Form der Taxation Governance eine gezielte Lenkung finanzieller Ressourcen zu ermöglichen.

Hierdurch könnte eine Erhöhung der Wirkungsorientierung erreicht werden, indem finanzielle Ressourcen gezielt in die Sektoren fließen, in denen der größte Nutzen zu erwarten ist. Außerdem würde eine nachhaltigere Finanzierung von Investitionen ermöglicht, da steuerliche Entlastungen eine langfristige Perspektive bieten und nicht von haushaltspolitischen Zyklen abhängig sind. Daneben ergäbe sich eine größere Flexibilität für Länder und Kommunen, da sie im sektorspezifisch vorgegebenen Rahmen eigenverantwortlich über die Nutzung der steuerlichen Entlastungen entscheiden könnten.

Ein ergänzender Ansatz zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichs wäre die Einführung von Experimentier- und Innovationsbudgets, die als Add-Ons zu bestehenden Steuermechanismen fungieren könnten, beispielsweise für Pilotprojekte im Bereich digitaler Transformation, klimaneutraler Infrastruktur oder sozialer Innovation. Solche Budgets würden vor der Umverteilung durch einen verbindlichen, abgestimmten Verteilungsschlüssel vom Gesamtplafond gelöst werden und direkt vom Bund an Pionierprojekte vergeben werden – bestenfalls unter der Maßgabe, der Öffentlichkeit nach erfolgreichem Projektabschluss Implikationen zur Nachnutzung bereitzustellen.

Die Kombination aus steuerlichen Steuerungsmechanismen und Innovationsbudgets könnte eine nachhaltige und flexible Antwort auf die Herausforderungen eines modernen Finanzausgleichs darstellen und gleichzeitig eine Dynamisierung der föderalen Finanzpolitik ermöglichen. Sie entspräche auch einem Paradigmenwechsel im deutschen Finanzausgleich – von reiner Umverteilung hin zu einer gezielten Investitionslenkung. Nun liegt es daran, den Reformwillen zu bündeln und das Potenzial des Ansatzes für eine wirkungsorientierte Finanzpolitik zu nutzen.

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Autor: Dr. Jana Marleen Walter arbeitet im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und lehrt an der Universität Kassel/UNIKIMS.

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