Table.Forum

Wie finanzieren wir das Gesundheitssystem der Zukunft?

von Heyo K. Kroemer

Unser Gesundheitssystem ist wie ein Zug, in dem wir relativ bequem sitzen und der mit einer einigermaßen ordentlichen Geschwindigkeit geradewegs auf eine Wand zufährt. Gleichzeitig sagen 84 Prozent der Deutschen, dass Gesundheit für sie das wichtigste Thema im Leben ist. Es besteht massiver Veränderungsdruck, zum einen durch den demografischen Wandel, zum anderen durch den medizinischen Fortschritt mit entsprechenden Konsequenzen für Leistungen und Kosten.  Die Digitalisierung verändert Versorgungsprozesse grundlegend, während geopolitische Unsicherheiten deutlich machen, dass auch der Gesundheitssektor krisenfester werden muss. In Summe ist klar, wenn die Versorgung in hoher Qualität weiterhin für alle zugänglich bleiben soll, braucht es nicht nur mehr Geld, sondern eine strukturelle Neuausrichtung. Die zentrale Frage lautet daher: Wie kann ein solidarisches Gesundheitssystem der Zukunft finanziert und organisiert werden? 

Herausforderungen des Gesundheitssystems: Demografie, Innovationen, Infrastruktur 

Der demografische Wandel stellt eine enorme Belastung dar, da die Zahl der älteren Menschen wächst und damit der Pflegebedarf und die Komplexität der medizinischen Versorgung steigen. Ältere Menschen benötigen zunehmend spezialisierte Behandlungen und mehr Pflege, was den Druck auf das Gesundheitssystem verstärkt. Dem gegenüber steht der ebenfalls durch den demographischen Wandel bedingte Fachkräftemangel, der besonders auch in der Medizin zu erheblichen Herausforderungen führt und den Druck auf das System entsprechend potenziert.

Der medizinische Fortschritt wiederum bringt einerseits großartige neue Therapiemöglichkeiten mit sich, aber auch höhere Kosten. Verbesserte Behandlungsmöglichkeiten, wie personalisierte Medizin oder innovative Therapien wie Zell- und Gentherapien, sind oft sehr teuer. Diese Innovationen bieten immense Chancen, erhöhen jedoch auch die finanziellen Anforderungen an das System. Es wird immer schwieriger, die steigenden Kosten mit den vorhandenen Mitteln zu decken, ohne die Qualität der Versorgung zu gefährden. 

Ein weiteres großes Thema ist die Krankenhausstruktur. In Deutschland gibt es insgesamt 1.151 grundversorgende Krankenhäuser und acht Betten pro 1.000 Einwohner. Dies führt zu Doppelvorhaltungen und Qualitätsverlusten, da viele Häuser ähnliche Leistungen anbieten, anstatt sich auf spezialisierte Versorgung zu konzentrieren. Im Vergleich dazu hat Dänemark nur 26 grundversorgende Krankenhäuser und lediglich 2,6 Betten pro 1.000 Einwohner. Diese Differenz in der Struktur zeigt, dass eine Optimierung und Spezialisierung der Krankenhauslandschaft in Deutschland dringend notwendig sind. 

Lösungsansätze 

Angesichts dieser Herausforderungen gibt es verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Situation. 

Erstens muss die Krankenhausversorgung innovativer gestaltet werden. Dies bedeutet, verstärkt auf translationale Forschung zu setzen, um neueste wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die Praxis umzusetzen. Prävention und Patientenedukation sollten stärker gefördert werden, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig muss die personalisierte Medizin weiterentwickelt werden, sodass Behandlungen individueller auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden können. Kooperationen und Netzwerke zwischen Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen sind entscheidend, um Synergien zu schaffen und Ressourcen effizienter zu nutzen. 

Zweitens sollte die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter vorangetrieben werden. Der digitale Austausch und die Verarbeitung von Gesundheitsdaten bieten enormes Potenzial für eine bessere Behandlungsqualität. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz können Prozesse effizienter gestaltet werden, und Patienten von einer besseren und schnelleren Diagnostik profitieren. Zudem eröffnet die Digitalisierung neue Behandlungsmöglichkeiten, etwa durch Fernüberwachung von chronischen Erkrankungen. Experten schätzen das Potenzial der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf etwa 42 Milliarden Euro. Doch bislang sind nur rund 1,4 Milliarden Euro dieses Potenzials erschlossen. 

Drittens ist eine Reform der Krankenhausstruktur notwendig. In der letzten Legislaturperiode wurden bereits neue Gesetze auf den Weg gebracht, die die intersektorale Versorgung stärker in den Blick nehmen und die Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Sektor fördern. Auch die Universitätsmedizin soll eine neue Rolle einnehmen und stärker in die Versorgung eingebunden werden. Ziel ist es, spezialisierte und qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten, ohne dass unnötige Doppelstrukturen bestehen bleiben. 

Der Weg in die Zukunft 

Diese Reformschritte zeigen, wie eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitssystems gelingen kann. Es geht um mehr als Geld. Es geht um bessere Strukturen, gezielte Verantwortung und eine konsequente Nutzung der vorhandenen technologischen Möglichkeiten. Die Richtung ist klar und der Handlungsbedarf ist dringlich. Der Zug fährt und es ist höchste Zeit, die Weichen neu zu stellen.

Autor: Prof. Dr. Heyo K. Kroemer ist Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Parteiübergreifend wird über die Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitssystem diskutiert. Aber wie kann die Systemwende gelingen? Und wie finanzieren wir das Gesundheitssystem der Zukunft? Im Table.Forum Gesundheitsinnovationen diskutieren führende Köpfe aus Politik und Praxis, wie das deutsche Gesundheitssystem gleichzeitig leistungsfähig und gerecht werden kann.

Unser Partner: AstraZeneca 

Impressum

Table.Forum ist ein Angebot von Table.Briefings
Leitung: Regine Kreitz (v.i.S.v. § 18 Abs. 2 MStV)
Table Media GmbH, Wöhlertstraße 12-13, 10115 Berlin · Deutschland,
Telefon +49 30 30 809 520
Amtsgericht Charlottenburg HRB 212399B, USt.-ID DE815849087
Geschäftsführer Dr. Thomas Feinen, Jochen Beutgen